Das Thema Machtverteilung ist ein sehr kontroverses. Ich habe viel diskutiert darüber. Mit Männern und mit Frauen, mit Tops und mit Bottoms. Wie so oft hat jeder eine eigene Meinung dazu.
Die gängigste Meinung ist, dass der submissive Teil der Beziehung die Macht hat. Denn das Safewort gibt der unterwürfigen Person die Möglichkeit, das Spiel jederzeit zu beenden. Der dominante Part kann nur so weit gehen, wie es der submissive zulässt. Damit hat er/sie die Macht.
Dann gibt es noch die Variante, dass Subs durch ein Safewort die Macht haben, Sklavinnen aber kein Safewort haben. Diese Definitionen finden sich wie Sand am Meer.
Eine weitere, sehr spezielle Herangehensweise habe ich erst vor Kurzem gehört: Die Macht hat immer die Frau. Denn die Frau sucht sich den Spielpartner aus, sie hat mehr Auswahl, als die Männer. Daher hat sie es leichter, den Mann abzuservieren und sich Nachschub zu organisieren. Ist das tatsächlich so? Ich habe nicht den Eindruck, dass Männer „nehmen müssen, was sie kriegen können.“ Das vermitteln Online-Plattformen vielleicht. Aber real sehe ich das anders. BDSM-Beziehungen sind wie alle anderen auch eine Verbindung zwischen Menschen. Das Machtgefälle suchen sich diese Menschen im absoluten Einvernehmen aus. Jeder einzelne legt BDSM so an, wie es für einen selbst passt. Gibt man die Macht über sich selbst vollkommen ab oder spielt man im Rahmen der vorgegeben Tabus und Grenzen? Dann ist klar, dass ein Schritt über diese Grenze das Ende bedeutet. Dann hat Sub die Macht, es zu beenden (wenn er/sie das möchte). Das ist ein schwerer Vertrauensbruch und hat Folgen. Wenn es aber diese Tabus und Grenzen nicht gibt? Wenn es kein Safewort gibt? Was dann? Wer hat dann die Macht?
Meine Sicht…
Für mich hat der Herr, als der dominante Teil der Spielbeziehung, die absolute Macht über mich. Ich habe ihn mir ausgesucht und er hat mich gewählt. Und die einzige Entscheidung, die ich in dieser Beziehung treffe ist es, sie einzugehen mit ihm. Vorab haben wir geklärt, wie mein BDSM aussieht und was ihn kickt. Wir haben unüberschaubar viel Zeit in die „Vorarbeit“ investiert um danach nicht mehr darüber nachdenken zu müssen. Das geht weit über das Thema Tabus hinaus. Wie ist der Zugang zu BDSM, worin liegt der Reiz, was kickt, was nicht, wie sieht der Mensch dahinter aus? Erst, wenn diese Kennenlernphase vorüber ist, dann begebe ich mich in seine Hände. Erst wenn ich das Gefühl der Sicherheit und der Vertrautheit tief in mir spüre, dann kann ich mein Wohlergehen in fremde Hände legen. Blindes Vertrauen, dass ich unbeschadet aus der Session komme. Und dann, ja genau dann…hat nur noch ER die Macht. Ich habe kein Safewort und auch sonst keine Möglichkeit aus der Session herauszukommen. Das ist mein Kick.
Es gibt noch eine weitere Unterscheidung der Begrifflichkeiten in Bezug auf Macht. Handelt es sich um eine D/S Beziehung oder wird die Seite des S/M mehr betont? Im D/S Kontext hat der Herr die Macht dadurch inne, als dass er seinem devoten Gegenüber genau das gibt, was es braucht. Nämlich, die Macht abzugeben. Dem Herren zu gefallen und zur Verfügung zu stehen. Ihm alleine zu Diensten zu sein. Das ist es, was den devoten Part befriedigt. Ein Machtmissbrauch hat hier vermehrt psychische Folgen. Im Gegensatz dazu ist in einer Beziehung, die mehr auf Schmerz aufgebaut ist, die körperliche Komponente gefährdet Schaden zu nehmen aus Machtmissbrauch. Ich l(i)ebe die Mischung aus beiden Welten und wähle meinen Herren weise und mit Bedacht. Denn ich will mir selbst weder psychisch noch physisch bleibenden Schaden zufügen. Es geht um Lust und um Sexualität.
Machtmissbrauch
BDSM hat so viel mit Vertrauen zu tun. Und Vertrauen kann sehr schnell missbraucht werden. Hier ist Feingefühl gefragt. Der dominante Teil der BDSM-Beziehung muss sich bewusst sein, dass die Macht, die ihm geschenkt wird, das größte Geschenk ist, das ein Mensch ihm in dieser Konstellation geben kann. Dieses Geschenk muss mit Respekt behandelt werden. Es ist nicht selbstverständlich und muss gepflegt werden. Das Vertrauen von Sub zu Top ist die Basis der BDSM-Beziehung. Nur wer das verstanden hat, kann auf Dauer verletzungsfrei spielen. Submissive Menschen vertrauen sich ihrem Top an und ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden ist davon abhängig, dass diese Person damit verantwortungsvoll umgeht. Mit Macht geht viel Verantwortung einher. Nicht jede/r Top vermag diese Last zu tragen. Mir ist es wichtig, mich absolut sicher zu fühlen, wenn ich mich jemandem „überantworte“. Ob er dem gewachsen ist verlangt viel Feingefühl. Und Selbstreflexion.
Wer in der BDSM-Beziehung die Macht hat ist also eine persönliche Einstellung, die durch die Spielart, die Intensität und das Vertrauen geprägt wird. Es gibt, wie so oft, keine allgemein gültige Antwort darauf. Jede Antwort hat im individuellen Ausleben des eigenen BDSM ihre Berechtigung.