Sexualität ist seit ich denken kann ein wichtiger Bereich meines Lebens. Ich war immer schon experimentierfreudig und offen für Neues. Ich bin sehr froh, dass ich schon in meiner ersten 20er-Hälfte meine Leidenschaft dafür entdeckt habe. Jetzt, Ende 30, weiß ich, was ich will und was ich brauche für eine erfüllte Sexualität.
Viele fragen sich, warum sie diese Neigung zu BDSM haben. Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Ich war neugierig und habe mit meinem Mann ausprobiert, was uns Spaß macht. Er hat mich in diese Welt gebracht. Keine Ahnung, ob BDSM einen solchen Stellenwert in meinem Leben eingenommen hätte, wenn ich ihn nicht getroffen hätte. Aber ich bin mir sicher – es hätte etwas gefehlt. Wahrscheinlich wäre es früher oder später trotzdem passiert.
Die Vorliebe für BDSM ist nicht angeboren und hat auch nicht zwingend etwas mit der eigenen Kindheit zu tun. Sie ist keine Sache der Gene oder der Erziehung. BDSM ist Teil der sexuellen Identität oder eben nicht. Die „Ursache“ dafür ist nicht geklärt und für mich auch nicht wichtig. Einige geben an, dass sie früh auf eigenen Beinen stehen mussten und es jetzt genießen, die Verantwortung abzugeben. Andere tragen im Job eine schwere Last und fühlen sich befreit, wenn sie „unten“ sind. Und dominante Menschen sehen gerne die direkten Auswirkungen aus ihrem Tun oder ziehen sexuelle Stimulation daraus, dass sie Macht über einen anderen Menschen haben. Egal, ob dominant oder devot, BDSM ist keine Krankheit! Vereinzelt kompensieren Menschen eigene Defizite in ihrer Entwicklung mit BDSM oder führen Verhaltensweisen weiter, die sie in ihrer Entwicklung geprägt haben. Das kann vorkommen. Hier kann Psychotherapie helfen um zu sich selbst zu finden. Alle über einen Kamm zu scheren wäre jedoch fatal! Ich wurde nicht geschlagen und meine Eltern sind immer noch verheiratet. Mein Familienhintergrund ist eigentlich fast schon kitschig. Keine Übergriffe, keine Unterdrückungen, weder psychische noch physische Auffälligkeiten. Und nein – ich habe kein unterdrücktes Trauma, das tief drinnen schlummert. Ich habe einen guten Teil meines Lebens therapeutisch aufgearbeitet im Zuge meiner Ausbildung.
Für mich geht es bei BDSM im Kern darum, einfachste Bedürfnisse zu befriedigen. Und diese Bedürfnisse können auf unterschiedliche Art und Weise gestillt werden. Manche von uns haben eben entdeckt, dass diese Bedürfnisse wunderbar mit sexuellen Reizen verknüpft, bedient werden können. Das ist doch etwas Wunderbares! Ich kann mich fallen lassen und dienen. Ich führe Befehle aus und meist schalte ich mein Denken aus und folge meinem Herrn. Ich tauche in den Schmerz ein, den er mir zufügt und ich freue mich, wenn ich Anerkennung bekomme für mein tadelloses Verhalten als Sklavin. Das ist unglaublich befreiend und dadurch werden Bedürfnisse in mir befriedigt und Hormone ausgeschüttet. Vielleicht könnte ich die Reaktionen in mir auch anders erzeugen, aber will ich Fallschirmspringen (Adrenalin) oder ein Prüfungsjunkie (Anerkennung) werden?
Die Frage „Warum ich?“ sollte sich niemand ernsthaft stellen. Jemand, der BDSM für sich entdeckt hat, kann sich glücklich schätzen, einen Teil von sich selbst entdeckt zu haben!