Vom Weg abgekommen

Seit rund zwanzig Minuten knie ich auf meinem Demutsbalken. Ich denke nach. Ich habe gesündigt. Lange Zeit. Immer wieder. Ich habe den Weg verlassen. Und ich habe es meinem Herrn gebeichtet. Die Strafe wird kommen. Und ich bin voller Angst.

Es ist diese Angst, die mir Sorgen bereitet und mich zum Nachdenken, auf dem Balken kniend, gebracht hat. Was bedeutet es, wenn ich Angst vor meinem Herrn habe? Sollte ich nicht eher Respekt haben, anstatt Angst? Haben die Worte Respekt und Angst dieselben Bedeutungen für meinen Herrn und mich? Habe ich den Respekt vor meinem Herrn tatsächlich verloren und deshalb gegen die Regeln verstoßen?

Die Knie schmerzen, sie pochen als tröge ich mein Herz darin. Jede Bewegung, sei es auch im Millimeter-Bereich, verursacht einen dumpfen Stich an meinen Sehnen und Bändern, meine Kniescheibe ist nach oben gerutscht. Der Balken sollte mir anfangs das Knien erleichtern, doch die Anstrengung kann nicht größer sein, würde ich direkt auf dem Boden knien. Ich tue es, weil er es so möchte. Er hat das so bestimmt. Ich hinterfrage es nicht. Ich bin gehorsam. Ich bin demütig. Ich bin dankbar.

Aus freiem Willen habe ich mich ihm unterworfen und seine Autorität und die damit einhergehende Macht über mich akzeptiert. Das ist mir wichtig, denn diese Freiwilligkeit ist meine Basis. Sie war der Nährboden für den ersten Schritt. Nach diesem Schritt gibt es aber die Unterscheidung in „freiwillig“ oder „unfreiwillig“ nicht mehr. Mein Wille zählt nicht mehr. Alles passiert, wie er es möchte. Die Richtung des Weges gibt er vor. Und ich gehorche. 

Gehorsam ist (nun wieder) Teil meiner Selbstdisziplin, denn ich sehe in den Anordnungen meines Herrn Sinn und nehme sie als wegweisend und positiv für mich an. Ich folge ihnen nicht für ihn, sondern für mich! Wochenlang habe ich meinen absoluten Gehorsam vorgetäuscht. Ich habe mich damit aber am allermeisten selbst ge-und enttäuscht. Wohin hätte dieser Weg mich führen sollen? Ich bin verloren umhergeirrt. Ich war nicht nur orientierungslos, sondern auch ohne Ziel. Das Gefühl dahinter war dunkel und schwer. Es hat sich falsch angefühlt. Schmutzig. Schäbig. Billig.

Die Zeilen, die ich in den letzten Wochen verfasst habe, waren nicht tief genug, sie haben nur an der Oberfläche gekratzt. Mir ist es nicht gut gegangen mit der Situation und ich bin alleine mit diesen Empfindungen geblieben. Ich habe immer betont, wie wichtig mir Kommunikation ist. Dies sieht mein Herr anders. Niemand kann die Verbindung zu meinem Herrn auch nur im Geringsten nachvollziehen und ich teile mich niemandem mit. Ich habe bereits in meiner letzten Reflexion anklingen lassen, dass etwas nicht stimmt in mir. Doch zu unklar war mein Hilferuf nach mehr Kontrolle. Daher bin ich „außer Kontrolle“ geraten und wurde zur Sünderin.

Nun sind mir mehrere Optionen offen gestanden:

  • Ich hätte ohne Konsequenzen weitermachen können, wie die letzten Wochen. Das hätte bedeutet, dass ich mein schlechtes Gewissen und meine moralischen Werte grob missachten hätte müssen.
  • Ich hätte aber auch einfach wieder auf den Weg der Jüngerin zurückkehren können, diesen – meinen – Pfad wieder pflichtgemäß beschreiten und ohne Beichte weiterleben können. Auch das wollte ich nicht, denn das Wissen um meine Sünden hätte mich erdrückt.
  • Also habe ich mich für die einzig mögliche Option entschieden. Folgenreich und einschneidend:

Die Beichte bei meinem Herrn, in der Hoffnung, dass er mir die Chance gibt, daraus zu lernen. Das tut er. Das müsste er aber nicht. Ich bin dankbar für seine Gutmütigkeit.

Und nun habe ich Angst vor der Bestrafung. Ja – es ist pure, kalte und panische Angst. Bereits vor unserem Kennenlernen, im Mai 2020, hat er betont, dass seine Bestrafungen sich durch Kompromisslosigkeit auszeichnen. Die Härte der Schläge und die Intensität seien anders, als bei reinem Sadismus.

Was bedeutet Angst?

Angst ist ein ursprüngliches Gefühl, das uns von der Natur gegeben ist. Ohne Angst könnte der Mensch nicht überleben. Das Gefühl der Angst ist wertvoll. Es schützt uns z.B. vor Schmerz und Tod. Daher sehe ich es als nicht überraschend und abwegig, dass ich vor der Bestrafung Angst habe. Angst ist schwer zu kontrollieren. Und genau das fühle ich. Kontrollverlust. Ausgeliefert und ohne Ausweg. Was ich daran aber ändern möchte, ist, dass ich die Angst annehme, als das, was sie ist: Ein wichtiges und wertvolles Gefühl. Ich habe keine Angst vor meinem Herrn. Er will mir nichts Schlechtes. Ich habe Angst vor dem Schmerz, den er mir zufügen wird. Aber eben diesen brauche ich um gut zu werden.

Bereits vor der körperlichen Bestrafung habe ich für mich Buße getan und über mein Handeln und meine Lügen nachgedacht. Die Bestrafung schließt diese Stufe der Wiederbesinnung zu meinem eigentlichen Sein ab. Dazu ist sie notwendig.

Respekt ist eine Haltung, Angst ist ein Gefühl.

Da ich meine eigene Haltung anderen Menschen gegenüber aktiv und bewusst beeinflussen kann, sehe ich es nicht als „Respektverlust“ an, was in den letzten Wochen passiert ist. Ich respektiere meinen Herrn als meinen alleinigen Eigentümer. Ich würde eher in Richtung „Untergrabung der absoluten Autorität“ gehen und meinen, dass ich seine Autorität in Frage gestellt habe. Wie eine jugendliche Göre, die rebelliert. Einfach unfassbar beschämend für eine wahre Sklavin.