Das Meer der Tränen

Tränen reinigen. Sie reinigen nicht nur meine Augen sondern auch meine Seele. Allzu gerne tauche ich ein in mein selbstgewähltes Meer der Tränen.

Die erste Träne, die sich ganz langsam nach draußen kämpft, ist die wertvollste. Sie steigt zaghaft nach oben. Ich spüre, wie sie sich ihren Weg sucht. Die Schläge, die mich immer wieder treffen, lassen sie kraftvoll wachsen. Heute ist mein Herr erbarmungslos. Meine Schmerzen schreie ich hinaus, ohne mich zurückzunehmen. Niemand hört mich. Nur er. Und das ist die Musik, die er hören möchte. Das ist das Konzert, auf das er sich tagelang gefreut hat. Er ist der Dirigent und ich bin sein Instrument. Dieser Gedanke zaubert mir ein dankbares Lächeln auf die Lippen.

Der Rohrstock trifft kurz und hart immer wieder dieselbe Stelle. Wärme steigt in mir auf, das Feuer ist entfacht. Ich winde mich in meiner Fesselung. Die Haut brennt. Mein Herz pocht, mein Körper vibriert. Mit jedem Atemzug trifft mich der Schmerz tiefer. Mein Herr weicht keinen Zentimeter ab von dieser Stelle. In meinem Kopf platzt die Haut an meinem Oberschenkel, ohne es jedoch tatsächlich zu tun. Der Schmerz ist nicht mehr zu ertragen. Und meine Träne ist nicht mehr aufzuhalten. Sie ist gewachsen und hat ihre Reise bis zum Ziel geschafft – sie kullert über die Wange und hat überraschend viele Weggefährten mitgebracht. Gemeinsam bilden sie ein Rinnsal, das mein Gesicht und meinen Oberkörper befeuchtet. Die Tränen mischen sich mit dem Schweiß, der mir an den Schlüsselbeinen und zwischen den Brüsten aus dem Körper tritt. Kurze Zeit flehe und winsle ich noch, bitte ihn verzweifelt darum, aufzuhören. Ich schlucke meine Tränen. Tanze meinen Tanz. Von einem Bein aufs andere. Dann lasse mich fallen in seine Obhut, bewege mich immer weniger. Er weiß, wie weit er gehen kann. Der Wohlfühlbereich ist längst verlassen. Mein Herr wandelt mit mir auf anderen Pfaden. Nur wenige können verstehen, warum ich ihm folge auf diesem Weg. Doch es ist meine Bestimmung seine Bedürfnisse zu stillen. Dadurch erlange ich Zufriedenheit und innere Freiheit.

Die Geräusche, die mein Herr mit der Gerte verursacht, lassen mich nun nicht mehr Zucken. Und genau an diesem Punkt ergebe ich mich ihm und meiner eigenen, ungefilterten, ehrlichen und geilen Lust und sinke in mein Meer. Ich tauche ein und alles rund um mich wirkt dumpf und verschwommen. So pur und echt fühle ich mich nur in meinem Meer. Ich denke nicht, ich entscheide nicht. Ich bin.

Ich habe gefleht, ich habe gebettelt und geschrien und es hat nichts genützt. Ich kann nichts tun um aus dieser Situation und aus seiner Macht zu fliehen. Wenn die Tränen da sind, dann ist der Punkt erreicht, an dem ich mich ergebe. Die Hormone, die mir in den Körper schießen in dieser Situation sind unvergleichlich. Sie hindern mich daran, rational zu agieren und bringen mich dazu, meinen Instinkten zu folgen. Welch‘ ursprüngliches und erhabenes Gefühl in einer Gesellschaft, die sich stets benehmen möchte.

Mein Herr steht hinter mir, er atmet nahe an meinem Hals. Gänsehaut überzieht jeden Millimeter meines Körpers. Er ist mein Leben und meine Freiheit und die Fesseln sind sein Geschenk.

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